Klimastabile Landwirtschaft braucht keine Neue Gentechnik

Am Mittwochabend lud der Landtagsabgeordnete, Hans-Jürgen Müller, zusammen mit Martin Häusling, Mitglied des Europäischen Parlaments, zu einer Online-Diskussion über Gentechnik in der Landwirtschaft ein. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Brauchen wir Neue Gentechnik für eine klimastabile Landwirtschaft in Hessen?“

Antworten auf diese Frage sollten die eingeladenen Expert*innen liefern: Dr. Margret Engelhard (Leiterin des Fachgebiets Gentechnik beim Bundesamt für Naturschutz), Dr. Felix Prinz zu Löwenstein (Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Ökologische Lebensmittelwirtschaft), Annemarie Volling (Expertin für Agro-Gentechnik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft), Lorenz Berger (Grüne Jugend) und Thomas Gutberlet (Geschäftsführer von tegut). Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Lavinia Schardt.

Rund 50 Teilnehmende lauschten gespannt, als Müller die Veranstaltung eröffnete: „Anlass für diesen Abend bieten uns die geplanten Änderungen der Europäischen Kommission am bestehenden Gentechnikrecht. Diese betrachte ich für eine nachhaltige Landwirtschaft und für die Verbraucher*Innen als sehr kritisch.“

Frau Engelhard stellte in einem Kurzvortrag klar, dass auch die neuen gentechnischen Anwendungen Risiken für Mensch und Umwelt mit sich bringen und deshalb immer einer Risikoüberprüfung unterlaufen müssen. Dies kann aber nur das aktuelle Gentechnikrecht sicherstellen, um das europäische Vorsorgeprinzip auch in Zukunft zu gewährleisten. Klimaresilienz in der Landwirtschaft kann nur über eine verbesserte landwirtschaftliche Praxis erreicht werden: Ein guter Humusaufbau und geeignete Fruchtfolgen stärken die Wasserhaltekapazität der Böden besser vor Trockenheit und Wetterschwankungen als punktuelle gentechnische Veränderungen im Erbgut dieser Pflanzen.

Dies scheint ebenfalls Widerhall in der Bevölkerung zu finden: rund 80 % der Deutschen würden sich der Naturbewusstseinsstudie 2019 zu Folge ein Verbot gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft wünschen.

Anschließend erklärte Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundesverbandes der Ökologischen Lebensmittelwirtschaft warum die Ökobranche Änderungen am bestehenden Gentechnikrecht ablehnt und gentechnisch veränderte Organismen für eine klimastabile Landwirtschaft nicht gebraucht werden. 

Annemarie Volling, Gentechnikexpertin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, zeigte die Probleme auf, die bei einer Lockerung des Gentechnikrechtes drohen. Die gentechnikfreie konventionelle und ökologische Lebensmittelerzeugung inklusive Saatguterzeug könnte nicht mehr sichergestellt werden, Wahlfreiheit würde abgeschafft. Bereits heute dominieren zwei große Konzerne 50 % des weltweiten Saatgutgeschäftes. Neue Gentechniken lösen eine neue Patentierungswelle aus, die diesen Konzentrationsprozess, verbunden mit einer Abhängigkeit der Züchter*innen und Bäuer*innen, weiter verstärke.

Für die Grüne Jugend erläuterte Lorenz Berger, Forstwirtschaftsstudent aus Göttingen, dass die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen mehr Risiken als Vorteile verspreche und für die Mehrheit der klimabewegten jungen Menschen keinen Weg aus der Klimakrise darstelle.

Ein besonderes Augenmerk auf die Verbraucherseite legte Thomas Gutberlet, Geschäftsführer des Handelsunternehmens „tegut“, in seiner Stellungnahme. Die Verbraucherinnen und Verbraucher legten Wert auf gentechnikfreie Produkte und eine klare Kennzeichnung im Regal. Jeder Versuch an dem europäischen Vorsorgeprinzip und der klaren Kennzeichnungsregelung in Sachen Gentechnik zu rütteln, sei aus Verbrauchersicht nicht gewollt.

Martin Häusling, Mitglied der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, berichtete, dass die Vertreter der Saatgutindustrie starken Druck auf die Politiker in Brüssel ausübten, damit diese den Markt für gentechnisch veränderte Produkte auch in Europa öffneten. Er forderte alle gemeinsam zum Handeln auf, damit die bewährten europäischen Regelungen zum Einsatz der Gentechnik auch zukünftig Bestand hätten.

Müller, der seine Gäste nach einer gut 90-minütigen Diskussion verabschiedete, resümierte: „Die Koalition in Wiesbaden hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung klar zum dem Ziel bekannt, Hessens Landwirtschaft gentechnikfrei zu halten und dabei die Verfahren der „Neuen Gentechnik“ ausdrücklich eingeschlossen. Damit gehen wir nicht nur den richtigen Weg für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft, sondern tragen vor allen Dingen auch den Wünschen der Bürger*innen Rechnung.“

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